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Trotz hohem Schutz vor Corona Warum erkranken immer mehr Geimpfte?

Unter den Covid-19-Fällen sind immer mehr Geimpfte.

Unter den Covid-19-Fällen sind immer mehr Geimpfte.

(Foto: imago images/Bihlmayerfotografie)

Mittlerweile wächst die Zahl der Covid-19-Erkrankten, die bereits vollständig geimpft sind. Ein Grund zur Beunruhigung? Laut RKI ist die Zunahme dieser Fälle nicht ungewöhnlich. Das hat verschiedene Gründe - unter anderem die in manchen Gruppen bereits hohe Impfquote.

Die Zahl der Impfdurchbrüche in Deutschland steigt. Immer wieder wird von Prominenten und Sportlern berichtet, die trotz Immunisierung an Covid-19 erkrankt sind. Seit Februar betraf dies insgesamt fast 120.000 vollständig Geimpfte, schrieb das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem jüngsten Wochenbericht. Auch der Anteil der Geimpften unter den Erkrankten wächst: Bei den über 60-Jährigen liegt er mittlerweile bei mehr als 50 Prozent. Gleichzeitig betonen Experten die nach wie vor hohe Schutzwirkung der Corona-Impfstoffe. Wie passt das zusammen?

Zuallererst, was ist ein Impfdurchbruch? Das RKI definiert einen Impfdurchbruch als Coronainfektion mit "klinischer Symptomatik" trotz vollständiger Impfung. Als klinische Symptome gelten laut Definition des RKI etwa Husten, Fieber und Schnupfen. Aber es gibt nicht nur milde, sondern auch schwere Verläufe unter vollständig Geimpften: Seit Februar mussten mehr als 5000 von ihnen im Krankenhaus behandelt werden, 650 auf der Intensivstation. Über 1000 vollständig Geimpfte starben in Zusammenhang mit Covid-19. Mehr als ein Viertel davon Ende September bis Ende Oktober.

Das RKI nennt die Zunahme von Durchbruchinfektionen im Laufe der Zeit allerdings "erwartbar". Das hat verschiedene Gründe:

Kein 100-Prozent-Schutz: Die Corona-Impfstoffe haben zwar eine hohe Wirksamkeit, aber sie bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion. Es wird also immer auch einige vollständig Geimpfte geben, die sich infizieren und auch schwer erkranken.

Steigende Impfquote: Weil Impfstoffe keinen perfekten Schutz bieten, steigt der Anteil an Geimpften unter den Covid-19-Fällen mit der Impfquote. Als Beispiel: Bei einer Impfquote von 100 Prozent gäbe es immer noch Impfdurchbrüche - der Anteil der Geimpften an allen Covid-19-Fällen würde dann bei 100 Prozent liegen. Mittlerweile sind 66,7 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Von den über 60-Jährigen, die den höchsten Anteil an Impfdurchbrüchen aufweisen, sind sogar 85,3 Prozent vollständig geimpft.

Steigende Zahl aktiver Fälle: Je stärker das Infektionsgeschehen und je höher die Zahl der akut Infizierten, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Geimpfte sich anstecken. Zur Veranschaulichung: Würde es keine aktiven Fälle mehr geben, würde die Zahl der Impfdurchbrüche auf 0 sinken. Zuletzt stieg die Zahl der aktiven Fälle in Deutschland auf mehr als 230.000 - rund 100.000 mehr als noch vor zwei Wochen.

Nachlassende Schutzwirkung: Es gibt mehrere Studien, die Hinweise auf eine mit der Zeit nachlassende Schutzwirkung einer Corona-Impfung liefern. Daten aus Großbritannien und Israel zeigen zudem, dass der Impfschutz bei Älteren stärker schwindet. Laut einer britischen Studie wird die Wahrscheinlichkeit, trotz Impfung zu erkranken, größer, je länger die Immunisierung zurückliegt. Und Zahlen der US-Gesundheitsbehörde CDC zeigen, dass die Wirksamkeit des Biontech-Präparats nach vier Monaten auf 77 Prozent sank, während Moderna mit einer Effektivität von 92 Prozent nahezu stabil blieb. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt mittlerweile eine Auffrischungsimpfung unter anderem für Menschen ab 70 Jahren und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

Delta-Variante: Auch die in Deutschland mittlerweile dominante Delta-Variante schmälert die Schutzwirkung der Impfstoffe zu einem gewissen Grad. "Mit dem alten Impfstamm hatten wir einen 95-prozentigen Schutz vor einer Neu- oder Durchbruchsinfektion", sagte der Infektiologe Bernd Salzberger der ARD. "Jetzt mit der Delta-Variante ist dieser Schutz schlechter, er liegt nur noch bei ungefähr 80 Prozent." Das Vakzin von Johnson & Johnson, das nur in einer Dosis verabreicht wird, schützt laut RKI wegen der Delta-Variante sogar nur noch zu 70 Prozent vor einer Behandlung im Krankenhaus. Allerdings macht dieser Impfstoff nur einen sehr kleinen Teil aller Impfungen in Deutschland aus. Die STIKO empfiehlt mittlerweile eine zusätzliche mRNA-Impfstoffdosis ab vier Wochen nach einer Johnson&Johnson-Impfung.

Schutz vor Covid-19 bei mehr als 70 Prozent

Wie wirksam sind die Impfstoffe insgesamt noch? Um die sogenannte Impfeffektivität zu ermitteln, vergleicht das RKI den Anteil der geimpften Covid-19-Fälle mit der tatsächlichen Impfquote in einer Altersgruppe. Ende September bis Ende Oktober lag die sogenannte Impfeffektivität bei Menschen zwischen 18 und 59 Jahren bei etwa 75 Prozent. Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, ist um etwa 75 Prozent geringer als bei Ungeimpften. Bei älteren Menschen über 60 Jahren liegt dieser Wert etwas niedriger bei 73 Prozent.

Doch Experten werden nicht müde zu betonen: Die wahre Stärke des Covid-19-Impfstoffs liegt in seinem Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf. "Das Ziel bei der Impfstoffentwicklung war nicht in erster Linie, eine Immunantwort auszulösen, die vor jeglicher Infektion schützt", sagte kürzlich etwa Hendrik Streeck, Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn. "Es ging immer im Kern um den Schutz vor schweren Verläufen."

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Laut RKI-Daten erfüllen die Impfstoffe diesen Anspruch: Menschen zwischen 18 und 59 Jahren haben ein um rund 90 Prozent geringeres Risiko, mit Covid-19 im Krankenhaus zu landen, wenn sie vollständig geimpft sind. Vor der Intensivstation schützt die Impfung sie sogar zu etwa 94 Prozent. Bei Älteren ist der Schutz vor einem Krankenhausaufenthalt mit 85 Prozent etwas geringer. Das Risiko einer Einlieferung auf der Intensivstation verringert sich für sie um 91 Prozent. Für 12- bis 17-Jährige liegen noch keine Daten zur Impfeffektivität vor, da in dieser Altersgruppe sowohl Impfquote (etwa 42 Prozent) als auch die Zahl der Impfdurchbrüche gering ist.

Das Risiko, im Zusammenhang mit Covid-19 zu sterben, ist für vollständig Geimpfte im Alter von 18 bis 59 Jahre laut RKI um 98 Prozent geringer als für Ungeimpfte. Bei Älteren sieht das etwas anders aus: Die Schutzwirkung liegt nur noch bei 85 Prozent. Wie ist das zu erklären? Laut RKI waren unter den bisher 1067 Todesfällen etwa 73 Prozent bereits 80 Jahre oder älter. "Das spiegelt das generell höhere Sterberisiko - unabhängig von der Wirksamkeit der Impfstoffe - für diese Altersgruppe wider", heißt es im RKI-Bericht.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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